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Trauerrede von Ueli Jäggi, ältester Sohn,

anlässlich der Abdankungsfeier vom 27.10.2014

 

 

Liebe Trauerfamilie, lieber Herr Pfarrer Terrier

 

Danke dass wir in dieser Kirche Abschied feiern dürfen. Die ist nicht ganz selbstverständlich.

 

Willys Verhältnis zum Glauben ist ja nie ganz beschwerdefrei gewesen. Er wurde evangelisch geboren, trat aber auf Wunsch der Familie seiner zukünftigen Frau Pia Candrian zum Katholizismus über. In den folgenden Jahren darauf wurde er strenger katholisch als (der Papst darf man hier nicht sagen) als die Familie von Pia. Obwohl später sein Verhältnis  zur katholischen Kirche deutlich distanzierter geworden ist hat er vor wenigen Jahren in seiner Bestattungsverfügung ausdrücklich gewünscht hier in diesem Rahmen beerdigt zu werden.

 

Ich weiss, dass normalerweise an Abdankungen nur über Positives des Verstorbenen geredet wird. Da aber die Liste seiner Schwächen erheblich kürzer ist, bitte ich um Verständnis, wenn ich zuerst ein paar Worte darüber verliere.

Er hat sein Leben lang nur einen einzigen Witz behalten können und immer wieder erzählt. Das wir auch beim Hundertsten Male darüber herzhaft lachen konnten lag nicht am Witz selbst sondern daran, dass er ihn so erzählte, als hätte er ihn gerade zum ersten Male gehört. Auf der anderen Seite hat er teilweise lange zurückliegende Gespräche oder Schriftstücke wortwörtlich wiedergeben können.

 

Er hat fast ausschliesslich für seinen Beruf resp. seine Tätigkeiten gelebt, natürlich nicht immer nur zur Freude seiner Familie. Aber das, was er getan hat, hat er richtig gemacht. Ich denke nicht in erster Linie an seine vielen Kinder sondern zuerst an seinen beruflichen Werdegang. Wobei bei ihm die Grenzen zwischen Beruf und Privat kaum existierten. Auf der einen Seite konnte er keinen Nagel gerade in eine Wand schlagen, andererseits blühte er geradezu auf, wenn es um Theater, um Verlage, um den Buchhandel, um Strategien und um Ideen ging. Aber immer stand er mit beiden Beinen auf dem Boden. Und immer hat er seine Diskussionspartner ernst genommen.

 

Ein unvergessliches Gespräch mit für mich weitreichenden Folgen fand vor jetzt ziemlich genau 60 Jahren im elterlichen Bett während seiner unvermeidlichen Mittagsruhe statt. Er hat mir des Langen und Breiten erklärt, dass es auf der Welt genügend Juristen, unendlich viele Mediziner und andere Spezialisten gäbe. Er würde aber in einer sinnvollen Kombination von zwei Richtungen viel bessere Zukunftschance sehen. Also z.B. Jurist mit sehr guten Kenntnissen der Branche Medizin und ähnliches. Ich habe später für mich die zumindest damals seltene Kombination von Buchhandel und Informatik gewählt und bin ihm heute noch unendlich dankbar für seinen Rat.

 

Ein anderes Schlüsselerlebnis für mich war: Schon als wir in ganz jungen Jahren das Haus in Aesch geplant haben, hat er eine Familienkonferenz einberufen um eine damals anstehende Frage: Flachdach oder Satteldach zusammen mit seiner Familie zu entscheiden. Wohlbemerkt war ich damals etwa 7 Jahre alt. Ich will damit ausdrücken, dass er zu dieser frühen Zeit schon Demokratie gelebt hat und uns Kindern die Erkenntnis gegeben hat, wichtig und integriert zu sein. Und dies zu einer Zeit, wo man den Inhaber noch Patron genannt hat. In einer Zeit wo sein Vorgänger (eine Zeitlang noch habe sie zusammen gearbeitet) vor dem Pausenraum mit der Uhr in der Hand die Pausenzeiten der Mitarbeiter kontrolliert hat. Seine soziale Kompetenz und seine Liberalität waren für mich ein zumindest teilweise nicht erreichbares Vorbild.

 

Ein andere gutes Beispiel für seine Aufgeschlossenheit ist für mich gewesen, dass er obwohl er bis an sein Lebensende kaum Ahnung von Computern gehabt hat, einer für die Branche sehr frühe Einführung unterstützt hat. Eine aufgeschlossene Haltung. Damit dies auch die jüngere Generation, die ja fast schon bei der Geburt über eine eigene Homepage verfügt, richtig würdigen können, vielleicht folgendes Bild: Als die ersten Bildschirme im Laden auftauchen, wurden sie vor allem als optische Schutzschilder gebraucht, damit Kunden die Buchhändler in ihrer Arbeit nicht störten. Wir hatten damals viele Besuche von Branchenkollegen, die einfach einmal einen Computer in einer Buchhandlung sehen wollten.

 

Aber das Verhältnis Willy – Computer ist nie ganz unbeschwert gewesen. Nur so viel: Vor dem Verkauf unserer Buchhandlungen habe ich eine kleine PC-Schule aufgemacht. Willy hat mir in dieser Zeit eine Gefälligkeit erwiesen. Ich weiss nicht mehr genau was. Auf jeden Fall wollte ich mich erkenntlich zeigen uns schenkte Willy einen halben Tag Privatunterricht mit unserem besten und geduldigsten  Lehrer. Damit er ein ewiges Thema z.B. seine soeben geschriebenen Texte im Computer wieder findet. Als ich ihn am nächsten Tag fragte, wie die Begegnung gewesen sei, meinte er etwas mürrisch: Der hat ja keine Ahnung von Computern!!

 

Willy konnte reden, schreiben und lesen. Ich kann nur Computer. Wir haben in der Buchhandlung einige Zeit gebraucht um feststellen zu müssen, dass es sinnlos ist, dem anderen seine Schwächen korrigieren zu wollen. Als wir uns entschlossen haben, von den Stärken des anderen zu profitieren und diese quasi zusammen zu legen wurden wir ein (fast) unschlagbares Team. Dass seine Frau und unsere Mutter Pia eine ganz wichtige Rolle in dieser Konstellation gehabt hat habe ich leider erst nach ihrem Ableben richtig würdigen können.

 

Auch das für viele damals unverständliche Ansinnen, sein Lebenswerk, die Buchhandlungen Jäggi, zu einer Zeit zu verkaufen, als alles noch rosig schien, hat er nicht nur akzeptiert sondern auch mitgetragen. Auch wenn der damalige Entscheid sich im Nachhinein als goldrichtig erwiesen hat, hat er sicherlich gespürt, dass sich damit sein Leben grundlegend ändern wird.

Auch wenn es für Danksagungen noch zu früh ist würde etwas ganz Wichtiges fehlen. Ich möchte mich zwei Menschen, die ihn in den letzten Jahren ganz eng begleitet haben hier und  heute ganz speziell bedanken.

 

Da ist einerseits meine Schwester Claudia, die neben ihrem Beruf, ihrer Familie enorm viel Kraft und Zeit aufgewendet hat damit es Willy in seiner immer kleiner werdenden Welt an nichts mangelt.

 

Die andere Person ist Frau Maja Güntensperger. Wir haben mit ihr vor einigen Jahren vereinbart, dass sie sich einige Stunden in der Woche um Willy kümmern soll. Sie gehörte nicht der Familie an. Gegen Ende hat man allerdings das gute Gefühl, sie habe Willy fast als ihren eigenen Vater adoptiert. Ganz, ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie Willy in den letzten Tage, Wochen, Monaten und Jahren so intensivst betreut haben und mit ihm so würdevoll und  so liebevoll umgegangen sind.

 

Willy hat im hohen Alter seine Memoiren aus seiner Betrachtungsweise geschrieben, ein einziges Buch. Wenn ich aus meiner Sicht über sein Leben erzählen würde, hätte das Werk sicherlich mehrere Bände. Er war in jeder Hinsicht ein aussergewöhnlicher Mensch. Wir nehmen jetzt von seinem Körper Abschied. Sein Leben wird noch lange bei uns nachwirken.

 

Bye, Bye Willy! Danke und bis später.

 

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